Für den Ernstfall gerüstet
Mit KÜS DRIVE Kurs nehmen auf die Prüfung von Fahrerassistenzsystemen für mehr Verkehrssicherheit
Prüfung von fehlerhaft arbeitenden automatisierten Fahrfunktionen, die durch Degradation, Manipulation und unsachgemäße Reparatur verursacht werden.
Wie sieht die Zukunft der Hauptuntersuchung für automatisierte, vernetzte und autonome Fahrzeuge aus?
Arbeiten Fahrerassistenzsysteme moderner Fahrzeuge im Langzeitbetrieb immer verlässlich?
Fahrerassistenzsysteme (ADAS) bringen mehr Verkehrssicherheit, jedoch ist die Betrachtung über die gesamte Lebensdauer erforderlich. Spezielle Prüfungen der ADAS sollen als Teil der regelmäßigen HU sicherstellen, dass Funktionseinschränkungen durch Verschleiß, unsachgemäße Reparaturen oder Beschädigungen rechtzeitig erkannt und Fahrzeuge in einem sicheren Zustand bleiben.
Das Szenario
Aufgrund der rasanten technischen Weiterentwicklung der Fahrzeuge, die insbesondere durch integrierte ADAS (Advanced Driver Assistance Systems) gekennzeichnet ist, müssen auch die Prüfinhalte der periodischen Hauptuntersuchung mit dieser Entwicklung mithalten, um weiterhin maximale Verkehrssicherheit zu gewährleisten.
Längst überwachen Kamerasensoren die Einhaltung der Fahrspur und machen beim Überfahren der Seitenlinien den Fahrer aufmerksam. Und falls sich das Auto vorausfahrenden Verkehrsteilnehmern gefährlich nähert, greift der Notbremsassistent ein. Vernetzte Kommunikation innerhalb der Verkehrsteilnehmer, aber auch mit der Verkehrsinfrastruktur wird sicherheitsrelevante Vorteile bringen.
Die Aufgabe
Automatisierte Fahrfunktionen wie der ab 2024 vorgeschriebene Notbremsassistent AEBS (Automated Emergency Brake System) sollen auf korrekte Funktion hin überprüft werden. Wird z. B. eine Vollbremsung bei hoher Geschwindigkeit auf der Überholspur der Autobahn ausgelöst, kann diese fehlerhafte Funktion Auffahrunfälle verursachen. Dasselbe gilt auch für die klassischen DAS (Driver Assistance Systems) wie ABS und ESP, die bei Fehlfunktionen zu Unfällen führen können.
Zur Kontrolle und Sicherstellung der korrekten Funktion über den gesamten Lebenszyklus des Kraftfahrzeuges entwickelt die KÜS ein dynamisches Prüfverfahren. Dieses Verfahren reicht über die gesamte Wirkkette der ADAS – von den Umfeld-Sensoren über die Auswertungs- und Steuerungseinheit bis hin zu den Aktoren.
Chancen vs. Risiken
Unfallvermeidung durch korrekte Funktion
Automatisierte Fahrfunktionen
Assistenzsysteme (ADAS)
- Adaptive Geschwindigkeitsregelung (ACC)
- Spurhalteassistent (LKA)
- Verkehrszeichenerkennung mit Intelligent-Speed-Adaption (ISA)
- Totwinkelwarner (BSW)
- Querverkehrswarner (RCW)
- Einparkhilfe (APA)
- Adaptive Cruise Control (ACC)
- Automatisches Notbremssystem (AEB)
- Toter-Winkel-Assistent (BSW)
- Adaptives Licht (AHB)
Technische Anforderungen
- Auf nationale Normale rückführbare, reproduzierbare Messergebnisse der Wirkprüfungen.
- Prüfung in einer Halle mit optimierten Flächenbedarf, d. h. unabhängig von Witterungsbedingungen.
- Dynamische, frei editierbare, szenarienbasierte Wirkprüfungen mit Geschwindigkeiten über 60 km/h.
- Durchführung via OTA (Over the Air) Stimulation, d.h. ohne ADAS Steuergerätekommunikation.
- Hohe Automatisierung der Wirkprüfung zur Taktzeitminimierung.
Technische Problemlösung
Sicher über den gesamten Fahrzeuglebenszyklus
Automatisierte Fahrzeuge sind in der Lage, ihre Umgebung zu erkennen und teilautonom zu fahren. Doch wie kann die Funktionssicherheit dieser Fahrzeugkomponenten über den gesamten Fahrzeuglebenszyklus hinaus gewährleistet werden?
Szenarienbasierte Wirk-Prinzip-Prüfungen nach dem OTA-Verfahren
Die Umfeldsensoren eines Fahrzeugs werden kontaktlos und ohne Zugriff auf die relevanten ADAS-Steuergeräte stimuliert. Die Wirk-Prinzip-Prüftechnik prüft die Reaktion eines technischen Gesamtsystems auf eine bekannte definierte Anregung und bewertet die Differenz der Reaktion des Systems mit der Sollreaktion. Bei der Wirkprüfung von Fahrerassistenzsystemen bedeutet dies, dass die Anregung über die Sensorik wie auf der Straße physikalisch (Over the Air) unmittelbar erfolgt. Somit wird ein direkter Zugriff auf die Steuergeräte vermieden, was die Überprüfung der gesamten Wirkungskette ermöglicht.
Tests mit kontaktloser Stimulation der Sensoren mit physikalischen Eingangsgrößen wie Video, Radar, Lidar, Ultraschall oder Lichtwellen wird als Over the Air (OTA)-Test bezeichnet.
OTA-Stimulation der Fahrzeugsensoren
Für valide und reproduzierbare Ergebnisse kommt die Vehicle-inthe-Loop (VIL)-Simulationsmethode zum Einsatz, bei der ein reales Fahrzeug in einer virtuellen Umgebung getestet wird. Diese Form der Absicherung kann nicht nur in regelmäßigen Hauptuntersuchungen (Periodic Technical Inspections, PTI) eingesetzt werden, sondern auch bei End-of-Line-Tests in der Automobilproduktion und im R&D-Bereich.
Das Fahrzeug befindet sich beim VIL-Test auf dem lenkbaren Funktionsprüfstand SFT (Steerable Function Tester) – Dürr-Markenname „x-road curve“ – und ist in der Lage, nach jeweiligem abzufahrendem Prüfszenario durch den Fahrer angesteuert zu beschleunigen, zu bremsen oder nach rechts und links zu lenken.
Aufgrund der technischen Eigenschaften des Rollenprüfstands bleibt das Fahrzeug immer zur Symmetrieachse des Prüfstands in Längsrichtung positioniert und kann mit Geschwindigkeiten bis 130 km/h gefahren werden.
Mit Hilfe der Software-Schnittstelle zwischen dem lenkbaren Rollenprüfstand und der dSPACE Toolchain ist es möglich, die realen physischen Bewegungen des Fahrzeugs an einen Digital Shadow zu übertragen. Dieser wird samt Fahrzeugumgebung auf einem Simulator von dSPACE in Echtzeit berechnet. Die Simulation speist einen Monitor und einen Radarzielsimulator zur OTA-Stimulation der Kamera- und Radarsensoren.
Prüfaufbau der Sensorik
In die Prüflinie sind direkt vor dem zu testenden Fahrzeug ein Monitor und eine Radarantenne integriert, die horizontal und vertikal positionierbar sind. Der Monitor stimuliert die Kamera des Fahrzeugs mit Umgebungs- und Straßenszenarien, die von der sensorrealistischen Simulationslösung AURELION in Form einer 3D-Welt animiert wird. Dies dient der Überprüfung, ob der Kamerasensor des VUT (Vehicle-under-Test) die relevanten Objekte richtig erkennt. Die korrekte Funktion des Spurhalteassistenten (LKAS) und des Spurhaltewarnsystemassistenten (LDWS) oder auch der Verkehrszeichenerkennung mit Intelligent-Speed-Adaption (ISA) wird mit realistischen Straßendarstellungen getestet.
Prüfumfänge von KÜS DRIVE
Anwendungsbeispiel
Prüfung der adaptiven Lichtsysteme (AFS)
Sensor | Fahrzeug-Kamera – das AFS sollte dynamisch (bei Geschwindigkeiten über 60 km/h) und ganzheitlich geprüft werden! |
Aktor | Scheinwerfersysteme des Fahrzeugs |
Funktionsweise | Durch die Detektion von entgegenkommenden und vorausfahrenden Fahrzeugen wird im potenziellen Blendbereich das Fernlicht ausgeblendet (siehe Bild). |
Ergebnisse und Ausblick
Anpassung der Hauptuntersuchungen an automatisierte, vernetzte und autonome Fahrzeuge
Gesetzlich vorgeschriebene Hauptuntersuchungen tragen nicht nur zur Vermeidung von technischen Fehlfunktionen bei, sondern erhöhen auch die Verkehrssicherheit. ADAS-Fahrerassistenzsysteme sind zusätzlich in der Lage, durch menschliches Fehlverhalten oder Unvermögen verursachte Unfälle deutlich zu reduzieren. Um dies zu gewährleisten, müssen diese Systeme jedoch über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs fehlerfrei funktionieren. Mögliche Störfaktoren sind dabei:
- Alterung von Material und Komponenten
- Mangelhafte bzw. fehlerhafte Instandsetzung oder Wartung
- Manipulation von Komponenten und Systemen
- Unerlaubtes oder übermäßiges Tuning
- Grenzen der Selbstdiagnose
Das Erkennen von technischen Mängeln und damit die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit wird u. a. durch die periodische Prüfung sichergestellt.
Zum Beispiel können Abstandsregeltempomaten (ACC) und Notbremsassistenten (AEB) Auffahrunfälle auch bei hohen Geschwindigkeiten verhindern und damit signifikant zur Reduktion der Unfallzahlen beitragen.
Gerade bei diesen Unfällen, bei denen ein fahrendes Fahrzeug mit einem in gleicher Richtung fahrenden oder stehenden Fahrzeug kollidiert, sind neben hohen Sachschäden auch oft Tote und Schwerverletze zu beklagen. Jedoch kann auch eine fehlerhafte Auslösung eines nicht korrekt eingestellten Notbremsassistenten zu Auffahrunfällen führen.
Sicherheitssysteme periodisch prüfen
Die Prüflinie KÜS DRIVE demonstriert bereits heute ein überzeugendes technisches Lösungskonzept für die neuen Anforderungen an die Prüfumfänge bei der regelmäßigen Hauptuntersuchung automatisierter Fahrzeuge. Die Sicherheit von Funktionen für das automatisierte Fahren kann in entsprechend ausgestatteten Prüfzentren über den Lebenszyklus eines Fahrzeugs geprüft und nachgewiesen werden.
Mit KÜS DRIVE arbeiten wir an den Innovationen von morgen, um Lösungen zur verbesserten Fahrzeugsicherheit und zur Funktionssicherheit von Assistenzsystemen und von automatisiertem Fahren über den gesamten Produktlebenszyklus voranzubringen.
Dipl.-Ing. Peter Schuler
Hauptgeschäftsführer der KÜS
Mit der Simulationslösung unseres Forschungsprojekts KÜS DRIVE verfügen wir über eine flexibel konfigurierbare Möglichkeit, die korrekte Funktion von Sensoren und Assistenzsystemen effizient und zuverlässig zu überprüfen. Am Ende des Tages verfügen wir über reproduzierbare Ergebnisse, die zur Bewertung der technischen Prüfungen insbesondere bei einer Hauptuntersuchung unerlässlich sind.
Dr. Thomas Tentrup
Leiter der Stabsstelle Forschung & Entwicklung
Die Zukunft im Blick
Die KÜS erkannte frühzeitig, dass sich rasant weiterentwickelnde und zunehmend automatisierte Fahrzeuge neue Sicherheitsfragen mit sich bringen, die für straßenzugelassene Fahrzeuge gelöst werden müssen. Um mit diesem technologischen Fortschritt im Bereich der Fahrerassistenzsysteme Schritt zu halten, steigen in der Folge die Anforderungen an die gesetzlich geregelte periodische Fahrzeugüberwachung stetig an.